Ansprache Seiner Majestät des Königs beim Staatsbankett im Rahmen des Staatsbesuches in Österreich
Herr Bundespräsident,
es ist eine große Freude, bei Ihnen und Ihrer Gemahlin zu Gast zu sein! Meine Frau und ich danken Ihnen aufrichtig für den herzlichen Empfang.
Ihre freundschaftlichen Worte bedeuten uns viel. Österreich hat in unseren Herzen einen besonderen Platz. Wir kennen Ihr Land gut – im winterlichen wie auch im sommerlichen Gewand.
Die Gastfreundschaft, die unserer Familie hier schon seit Generationen entgegengebracht wird, erfüllt uns mit Dankbarkeit.
Dieser Staatsbesuch verleiht unserer Verbundenheit eine zusätzliche Tiefe.
Und wie schön ist es doch, wieder einmal in Wien zu sein!
Der Stadt, in der sich das Leben im Dreivierteltakt zu wiegen scheint.
Das Leben ist hier zur Kunst erhoben.
Und Kunst ist hier Leben!
Stefan Zweig hatte ganz recht: »In kaum einer Stadt Europas ist der Drang zum Kulturellen so leidenschaftlich wie in Wien.«
Wien ist durch und durch eine Stadt der Begegnung. Zwischen Menschen. Zwischen Kulturen. Zwischen Völkern.
Wir Nordwesteuropäer vergessen es allzu leicht: nicht Brüssel, sondern Wien ist das Herz Europas.
Aufgrund seiner geographischen Lage und seiner reichen Geschichte hat Österreich einen ganz eigenen Blick auf die Welt entwickelt. West und Ost fließen hier zusammen. Gerade diese Vielfalt an Erfahrungen verleiht Österreich seine Stärke.
Sie, Herr Bundespräsident, sind dafür der lebende Beweis. Ihre Familie wanderte von den Niederlanden nach Russland aus, um dann nach Stationen in Estland und Deutschland schließlich in Österreich neu anzufangen. In Ihrem Herzen tragen Sie gewiss viele Geschichten!
Wir danken Ihnen für Ihren unbeirrten Einsatz für Stabilität, Frieden und Toleranz in Europa. Wir alle sind entsetzt über die hemmungslose Aggression Russlands gegen die Ukraine, ein freies und demokratisches Land, das jedes Recht hat, seinen eigenen Weg zu wählen.
Fünfhundert Kilometer von hier entfernt sind unschuldige Menschen im Angesicht der russischen Gewalt ihres Lebens nicht mehr sicher. »Es ist ein Menschenrecht, in Frieden leben zu können«, sagten Sie vor wenigen Monaten in Ihrer Botschaft an das ukrainische Volk. Ein wahres Wort!
Die Frage, die wir als Europäer jetzt gemeinsam beantworten müssen, lautet: Wie schützen wir dieses Recht, für uns selbst und für kommende Generationen?
Die Niederlande interessieren sich sehr dafür, wie Sie hierüber denken, gerade wegen der historischen Rolle Ihres Landes an der Schnittstelle zwischen Ost und West. Die Zeit drängt. Es geht um unsere gemeinsame Sicherheit. Als freie Länder in der Europäischen Union kommen wir nicht ohne eine starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aus.
Die Niederlande messen dem Beitrag Österreichs bei diesem Thema einen hohen Stellenwert bei. Umso mehr, als seit kurzem der Militärausschuss der EU von einem Österreicher geleitet wird.
Herr Bundespräsident, dies alles sind komplexe und sensible Fragen. Aber wir wissen, dass Sie schwierigen Themen nicht aus dem Weg gehen.
Wir bewundern den Mut, mit dem Sie eine offene Debatte über die Rolle Österreichs im Zweiten Weltkrieg angestoßen haben.
Der Nationalsozialismus hatte für die Menschen in den Niederlanden in den Kriegsjahren oft ein österreichisches Gesicht. Ihre Anerkennung des erlittenen Leids und Ihr aufrichtiges Versöhnungswerk bewegen uns.
Unsere beiden Länder sind der Beweis, dass ein Neuanfang immer möglich ist.
Wir schätzen uns glücklich, einen Partner wie Österreich zu haben! Unsere Länder finden bei vielen Themen wie selbstverständlich zueinander.
Zu den vielen gemeinsamen Interessen gehört auch die notwendige Ökologisierung unserer Volkswirtschaften. Dafür setzen Sie sich schon seit vielen Jahren leidenschaftlich ein. Wir alle spüren: es ist dringend erforderlich, die Nutzung fossiler Brennstoffe rasch zurückzudrängen.
Wir müssen dies tun, um sowohl den Klimawandel zu bremsen als auch unsere Abhängigkeit von Lieferanten zu verringern, die keine guten Absichten verfolgen.
Österreich gehört zu den Ländern mit besonders ehrgeizigen Klimazielen in Europa. In achtzehn Jahren wollen Sie vollständig klimaneutral sein. Eine immense Aufgabe.
Die Niederlande wollen, wie Österreich, aufs Tempo drücken. Streben wir eine möglichst umfassende Kooperation an!
Schon jetzt arbeiten wir Hand in Hand bei der Vorbereitung einer Wasserstoffrevolution in der Europäischen Union. Das schmeckt nach mehr.
Ein weiteres Thema, das unsere beiden Länder beschäftigt, sind die Lebensqualität und der soziale Zusammenhalt in Städten und Bezirken.
Diese Stadt hat eine beeindruckende Tradition, wenn es um Wohnungswirtschaft und die Schaffung attraktiven Wohnraums für alle geht. Wir lassen uns gern von Ihnen inspirieren.
Ein Aufenthalt in Wien ohne einen Besuch im Kaffeehaus – da würde etwas fehlen.
Der Philosoph George Steiner hielt das Kaffeehaus für den Ort, an dem das Wesen Europas spürbar wird. Wir werden es morgen erleben und freuen uns schon darauf. Genauso wie auf den Besuch im wundervollen Graz am Mittwoch und die Fahrt dorthin per Bahn.
Herr Bundespräsident, die Welt um uns herum ist heftig in Bewegung. Deshalb tun wir gut daran, unsere Freundschaften mit vertrauten Partnern zu pflegen.
Ich wünsche mir, dass wir als gleichgesinnte Länder zusammenstehen und gemeinsam voranschreiten. Dass wir neue Gewissheiten schaffen, wo alte sich auflösen. Und dass wir entschlossen eintreten für Freiheit, Recht und Menschlichkeit, hier in Europa und anderswo in der Welt.
Darf ich Sie alle bitten, mit mir das Glas zu erheben?
Auf Ihre Gesundheit, Herr Bundespräsident und Frau Schmidauer!
Auf die Freundschaft zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande!